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Warnung: Mitleid tut weh und kann der Gesundheit schaden

Ingrid Langenbruch – after lung surgery for metastecised breast cancer

Lass es dir von jemandem, der seit über 14 Jahren mit Krebs lebt, gesagt sein – wenn du jemanden unterstützen willst, sei es Freund oder Freundin, Familienmitglied, Kollege oder sonst wer – dann ist jegliches Mitleid oder Bedauern fehl am Platz; es ist nicht hilfreich, sondern kann sogar schädlich sein.

Es gibt eine Art und Weise, wie du wirklich für jemanden sorgen und ihn unterstützen kannst – mehr dazu später – aber lass uns zuerst einen gezielten Blick auf Mitleid und Bedauern werfen.

Ich dachte früher immer, dass Mitleid oder Bedauern gute und erwünschte Gefühlsausdrücke seien. Wenn du krank bist oder wenn dir etwas Herausforderndes, Schwieriges oder "Schlechtes" passiert, hast du das Mitgefühl von Familie, Freunden und jedem, der davon weiß. Oft gibt es Worte des Bedauerns, etwa "Oh du Arme/du Armer", "Es tut mir leid, das zu hören", "Oh je, das sind ja schlechte Nachrichten" oder "Das muss aber sehr schwierig sein" und so weiter.

Ingrid Langenbruch – sympathy and cancer don't go well together

Kürzlich habe ich die schädlichen Auswirkungen von Mitleid am eigenen Leib erfahren.

Der Brustkrebs, mit dem ich seit 2002 lebe, hatte Metastasen gebildet, ich hatte eine Lungenoperation und war gerade aus dem Krankenhaus entlassen worden. Meine Lebenserwartung war allem Anschein nach drastisch verkürzt.

In der darauffolgenden Woche nahm ich an einem 5-tägigen Retreat mit etwa 300 Personen teil. Ich ruhte mich viel in meinem Sitz Sack aus, manchmal döste ich auch, und ich sah jeden Tag viele andere Teilnehmer, von denen die meisten mir bereits bekannt waren.

Die Auswirkungen von Mitleid auf meinen Körper waren recht eindeutig. Ich bemerkte, wie einige Leute, die von meiner kürzlichen Operation wussten, sich mit einer Energie näherten, die ziemlich unangenehm war. Viele schienen von der Operation und Diagnose gehört zu haben und ich muss zugeben, dass ich die Aufmerksamkeit und Anteilnahme, die mir entgegenkam, zunächst genossen habe.

Doch am Ende des Tages fühlte ich mich körperlich krank, und das hatte nichts mit der Operation zu tun. Es dauerte eine Weile, aber nachdem ich mit einer guten Freundin, die sich um mich kümmerte, gesprochen hatte, wurde mir klar, dass ich all diese mitleidige Energie in meinen Körper aufgenommen hatte und es fühlte sich schrecklich an. Ich hatte ja schon ein komisches Gefühl gehabt, wenn mitleidige Leute auf mich zukamen, aber weil ich immer noch glaubte, ich könnte Energie nicht richtig fühlen, hatte ich es mir nicht bewusst gemacht.

Mein Körper hatte wahrhaft genug zu tun – und um zu heilen musste ich die Auswirkungen dieses Mitleids unterbinden; inzwischen war ich wenigstens davon kuriert, sie als Aufmerksamkeit zu genießen. Aber was konnte ich tun? Wie konnte ich Menschen davon abhalten, mich mit Bedauern und Mitleid anzusprechen? Ich traute meiner Fähigkeit, Energie sofort zu spüren, immer noch nicht.

Am nächsten Tag lernte ich sehr schnell, dass ich Energie fühlen kann und war überrascht, wie klar und deutlich es war.

Wenn Menschen auf mich zukamen, konnte ich fühlen, ob sie mit Mitgefühl, Mitleid oder ihrer eigenen Angst kamen oder einfach nur neugierig oder interessiert daran waren, wie es mir ging; ob sie aus echter Sorge nachfragten oder sich vielleicht auch verpflichtet fühlten, Interesse zu zeigen obwohl sie lieber nichts mit dem Thema zu tun haben wollten.

Ich merkte auch, dass einige Bekannte sich mir überhaupt nicht näherten, und das war in Ordnung. Es war mir lieber als ihre Emotionen oder ihr Mitleid. Mit dieser Anteilnahme kommt nämlich oft auch die Angst vor dem Tod, was für viele Menschen einfach zu konfrontierend ist.

Ich lernte auch, wie ich die Energie von Mitleid und Bedauern stoppen konnte – manchmal, indem ich sie einfach beobachtete und verstand und manchmal, indem ich sie nominierte.

Aber wie konnte ich jemandem sagen, dass ich keine Anteilnahme wollte? Ich fand meinen eigenen Weg und der war von Mensch zu Mensch verschieden.

Bei einigen konnte ich es mit Humor sagen, bei anderen musste ich ganz direkt werden: "Bitte kein Mitleid." Dann gab es solche, bei denen ich fühlte, dass ich tiefer darauf eingehen und ihnen erklären mochte, wie schrecklich es sich anfühlt. Einige haben es gleich verstanden, wenn ich "bitte kein Mitleid" sagte, andere waren verwirrt und konnten oder wollten es nicht verstehen oder gingen einfach weiter.

Eine Freundin kam mit einer ganzen Ladung Mitleid und wollte mich umarmen. Ich sagte leicht scherzhaft: "Nur, wenn du es ohne Mitleid tust" und die Mitleids-Energie verschwand. Wenn diese Energie ganz klar in die Schranken gewiesen wird, kann die Situation sofort umschlagen; die Leute kommen einfach aus dieser Energie heraus und sie ist verflogen. Die Enttarnung dieser Energie war für manche eine richtige Erleichterung, weil sie dadurch von ihrer mutmaßlichen Pflicht, Mitleid und Anteilnahme zeigen zu müssen, befreit wurden.

Einige haben es nicht verstanden – vielleicht ist der Groschen bei ihnen später gefallen.

Ich ziehe es vor, Menschen um mich zu haben, die normal mit mir umgehen und nicht ihr Mitleid, ihre eigenen Sorgen und Ängste oder was auch immer mitbringen. Ich habe mich, nur weil ich eine ernsthafte Krankheit habe, doch nicht wirklich verändert – oder? Aufgrund der Art und Weise, wie ich mit der Krankheit umgehe und dank meiner Bereitschaft, ihre Rolle in meinem Leben zu verstehen und zu akzeptieren, fühle ich mich heute offener und leichter, bin voller Freude und mein Leben hat Sinn.


Ingrid Langenbruch – living well with cancer

Ich stehe mit mehr Engagement als je zuvor im Leben und im Dienst der Menschheit, und der Bogen spannt sich von ganz einfachen Dingen, wie zu lernen, in jedem Moment die Wahrheit zu sprechen bis dahin, andere dabei zu unterstützen, die Angst vor dem Tod zu verlieren.

Als vor kurzem eine liebe Freundin, Judith McIntyre, gestorben ist, habe ich gesehen, dass es einen anderen Weg zu sterben gibt – würdevoll, ohne Leid, Elend und Traurigkeit. Der Tod ist ein natürlicher Prozess, den wir alle durchmachen werden und braucht nicht so schwierig zu sein, wie er allgemein empfunden und durchlebt wird. Damit dies jedoch geschehen kann, müssen die Menschen zusammenkommen und sich wirklich umeinander kümmern – und wahre Fürsorge und Mitleid sind unvereinbar.

Mitleid fördert eine Opferhaltung, kann andere dazu bringen, sich selbst zu bemitleiden und keine Verantwortung zu übernehmen – und kann auch deren Fähigkeit zur Akzeptanz beeinträchtigen und eine Opferhaltung bestätigen oder auch hervorrufen. Mitleid fühlt sich weder klar noch ehrlich an ... Menschen wollen nett sein, aber dahinter stecken all ihre unverarbeiteten Probleme, seien es nun Mitleid, Angst oder alte Verletzungen.

Einem engen Freund von mir sage ich seit Jahren "bitte kein Mitleid “, wenn ich es spüren kann und langsam merke ich, dass es bei ihm ankommt und er es annimmt.

Andere halten sich aus Mitgefühl/Mitleid zurück und wollen mich nicht auf meine Irrtümer oder meine Fehler aufmerksam machen. Ein Freund von mir hatte etwas mit mir zu klären, hielt sich aber zurück, weil er mich nicht damit belästigen wollte. Ich fühlte, dass da etwas nicht in Ordnung war und als ich ihn fragte, konnten wir die Angelegenheit in ein paar Minuten klären und mit einer innigen Umarmung abschließen.

Echtes Kümmern und Interesse sind ok und willkommen, aber ohne Mitleid.

Ich gebe nicht mehr Gott und der ganzen Welt die Schuld für das, was jetzt in meinem Leben passiert und passiert ist. Ich übernehme die volle Verantwortung für meine Lebenslage. Ich verstehe, dass alles ein Ergebnis meiner vorherigen Entscheidungen und daher meine alleinige Verantwortung ist – ohne Schuldgefühle. Alles, was sich entfaltet, ist eine großartige Gelegenheit zu lernen und mich zu dem zurück zu entwickeln, was ich wirklich bin und woher ich komme – aus dem Göttlichen.

Das heißt nicht, dass ich keine spezielle Pflege und Unterstützung brauche, besonders in der Zukunft, wenn meine Gesundheit sich wirklich verschlechtert, aber diese Fürsorge kann auf einer normalen zwischenmenschlichen Beziehung basieren. Ich will nicht, dass die Leute mich anders behandeln oder ‚mit Samthandschuhen anfassen‘.

Wahre Fürsorge kann ohne Mitleid und Bedauern kommen und in der Tat würden Mitleid und falsche Anteilnahme eine wohlgemeinte Fürsorge sabotieren.

Mitleid und Bedauern scheinen oft mit Liebe verwechselt zu werden. Wenn Menschen damit ankommen, denken sie oft, dass es liebevoll ist, aber Mitleid und Bedauern fühlen sich für den Empfänger ganz anders an, sowohl energetisch als auch körperlich. Wenn Leute behaupten, sie ‚mögen‘ es, wenn man ihnen Mitleid bekundet, dann ist es eher die Aufmerksamkeit, die man ihnen entgegenbringt, die sie mögen – so wie ich es am Anfang auch getan habe. Aber wenn man die Qualität dieser Aufmerksamkeit spürt, fühlt es sich überhaupt nicht gut an und das kann man tatsächlich körperlich spüren.

Ich bin mir ganz sicher, dass viele Menschen, die ernsthaft erkrankt sind und im Sterben liegen, die schädliche Wirkung von Mitleid und Bedauern fühlen können. Aber meistens wollen sie nichts sagen, weil sie ihre Mitmenschen nicht vor den Kopf stoßen wollen, besonders wenn es sich um Angehörige oder enge Freunde handelt.

Um jemanden wirklich zu unterstützen, muss man ohne eigene Emotionen und Probleme einfach da sein. Wahre Fürsorge ist sehr liebevoll und kommt nicht mit dieser Energie von "du armes Ding" oder etwas Ähnlichem. In den Jahren, die ich nun mit Krebs lebe, habe ich große Unterstützung von Serge Benhayon und anderen Therapeuten von Universal Medicine bekommen. Ich habe Serge niemals als mitleidig erlebt, nie auch nur mit einem Milligramm an Bedauern, sondern sehr zartfühlend, liebevoll und klar und stets großzügig mit seinen Heilbehandlungen, Präsentationen und seiner Weisheit.

Vor kurzem hatte ich eine wundervolle Erfahrung von wahrer Unterstützung, ohne jegliches Mitleid. Den ganzen Morgen war ich irgendwie angespannt, fühlte mich fix und fertig und den Tränen nahe, ohne zu wissen warum. Meine Hormonbehandlung kann das manchmal verursachen. Ich war mit einer Gruppe von Leuten zusammen und irgendwann ließ ich die Tränen einfach heraus purzeln. Ich spürte, wie ich mich verhärtet und mit den anderen nicht verbunden gefühlt hatte, solange ich die Tränen zurückhielt. Mein Körper war wie abgeschnürt. Ein Freund sah die ersten Tränen und fragte, ob ich ok sei. "Nein, bin ich nicht", sagte ich. Er umarmte mich und ich schmolz dahin und ließ die Tränen einfach fließen.

Zunächst fühlten sich die Tränen wie eine natürliche Befreiung an, doch an einem bestimmten Punkt wurde mir bewusst, dass ich mehr aus meinem Weinen machte, dass ich anfing, mich zu bemitleiden und emotional zu werden. Es fühlte sich schrecklich an und ich beschloss, damit aufzuhören. Danach sind die Tränen dann ganz natürlich ausgeflossen und ich hatte einen schönen Tag, fühle mich wieder mit mir selbst vereint. Die wahre Unterstützung, bar jeglichen Mitleids, hatte es mir ermöglicht, darauf aufmerksam zu werden, dass ich mich nicht in Selbstmitleid verstrickte.

Ich fühle mich so gesegnet, in einer Gemeinschaft zu leben, deren Mitglieder sich liebevoll und zartfühlend um mich kümmern. Das ist etwas, das wir alle verdienen – die Liebe, Zärtlichkeit und Fürsorge, die wir Neugeborenen zukommen lassen, müssen wir den Sterbenden gleichermaßen geben.

In jeder Lebensphase sind wir es wert, wahre Liebe und Unterstützung zu empfangen – und um das zu ermöglichen, müssen wir Mitleid und Bedauern ausmerzen und Verantwortung übernehmen.

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