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Groß werden – mit Furcht und Schrecken


Ingrid Langenbruch on the right

Schon als kleines Kind konnte ich fast tagtäglich Angst und Schrecken in meinem Körper fühlen.

Nach den Kriegsjahren in Deutschland und bis zum achten oder neunten Lebensjahr steckten meine Eltern mich immer wieder ins Waisenhaus. Der kürzeste Aufenthalt war ein Monat, der längste mehr als ein Jahr.

Während ich im Waisenhaus war, wusste ich nie, wann ich wieder abgeholt und mit meinen Eltern und meinen Schwestern leben würde. Und wenn ich dann wieder zu Hause war, wusste ich nie, wie lange das dauern würde.

Als ich, im Alter von 8 oder 9 und dann als Teenager permanent zu Hause lebte, drohte man mir, damit ich brav war und nicht aus der Reihe tanzte, häufig mit dem Internat.

An meine Kindheit kann ich mich kaum erinnern und deswegen nicht nachvollziehen, wie ich reagierte, wenn ich im Waisenhaus abgeliefert wurde. Freute ich mich etwa darauf, mit den andren Kindern zu spielen? Ich bezweifele es stark; es war jedes Mal wie ein Alptraum, und die Angst vor Kindern konnte ich noch als Erwachsene in mir spüren.

War ich froh, wenn ich wieder abgeholt wurde? Oder schmollte ich und war misstrauisch? Ich weiß es nicht.

Als Erwachsene merkte ich, dass ich in bestimmten Situationen die Panik kriegte. Wenn ich zum Beispiel mit einer Freundin auf Stadtbummel und an anderen Geschäften als sie interessiert war, verabredeten wir uns an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit. Und wenn diese Freundin dann nicht pünktlich am Treffpunkt war, wurde ich nervös, und zwar schon 60 Sekunden nach der vereinbarten Zeit. Nach zwei Minuten war ich dann sehr nervös und nach 5 Minuten kriegte ich die Panik, rannte hin und her und hielt nach ihr Ausschau.

Oder ich kam zum Beispiel mit dem Zug am Bahnhof an und sollte von jemandem abgeholt werden. Bevor der Zug überhaupt zum Halten kam, kriegte ich es bereits mit der Angst zu tun und befürchtete, dass niemand da sein würde, um mich abzuholen. Und ich spürte panische Angst in mir, wenn ich beim Verlassen des Zuges nicht sofort jemanden sehen konnte.

Ich litt unter dieser Furchtsamkeit mein ganzes Leben lang und erst später verstand ich, was da passierte und woher diese Ängstlichkeit kam. Ich konnte sie mit bestimmten Situationen aus meiner Kindheit in Verbindung bringen und verstand, dass sie rein gar nichts mit der Gegenwart zu hatten. Ab und zu kommt ein Schatten dieser Ängstlichkeit noch in mir hoch, aber sobald ich es merke, weiß ich, was los ist und kann es loslassen.

Schrittweise erinnere ich mich nun mehr daran, wie es ab dem etwa zehnten Lebensjahr war, als ich auf Dauer mit meinen Eltern und zwei älteren Schwestern zu Hause lebte.

Als Teenager kann ich mich daran erinnern, alles hinschmeißen zu wollen; ich litt an Depressionen und hatte gelegentlich auch Selbstmordgedanken.

Mit 14 fing ich an zu rauchen und zu trinken und mit 18 nahm ich harte Drogen, konnte also nicht mehr viel fühlen. Ich betäubte mich, um die Intensität meiner Angstzustände, die Unsicherheit und meine Minderwertigkeitsgefühle, die Wucht der Selbstbezichtigungen und mein tiefes Gefühl nutzlos und von Grund auf falsch zu sein, nicht mehr zu spüren.

Panikzustände kriegte ich nach wie vor, wenn es so aussah, als wenn ich versetzt worden wäre. Ansonsten war ich unterwegs, nahm kein Blatt vor den Mund und, solange ich was getrunken hatte, redete ich mit jedem und hielt es für echte Verbindung. Alkohol und Aufputschmittel, also Speed und Kokain, machten es mir leicht und waren deshalb meine Lieblingsdrogen.

Das alles veränderte sich schlagartig, als ich mit Brustkrebs diagnostiziert wurde. Das zwang mich dazu, mein Leben und meine Lebensweise scharf unter die Lupe zu nehmen.

Die Begegnung mit Serge Benhayon, seine Sessions, die Workshops über Energie und wie man sie fühlt und das Studium von ‚The Way of The Livingness’, haben mein Leben in den letzten Jahren verändert. Ich bin kein Opfer meiner Umstände mehr, sondern übernehme die Verantwortung für sie.

Ich gehe liebevoll mit mir um, pflege und nähre mich fürsorglich. Ich habe mehr Selbstvertrauen und brauche keinen Alkohol. Seit Jahren habe ich weder getrunken noch Drogen genommen. Ich fühle mich wohler mit mir, in mir und in meinem Körper und allgemein viel besser als in jüngeren Jahren. Ich esse und trinke nur, was sich richtig anfühlt und dass alles macht einen Riesenunterschied.

Und mein Verhältnis mit Kindern hat sich in den letzten Jahren ebenfalls zum Guten verändert. Während ich mich vorher in ihrer Gegenwart unwohl fühlte und sogar Angst vor ihnen hatte, lasse ich mich jetzt auf sie ein, rede mit ihnen und helfe in meinem Freundeskreis auf die Kinder aufzupassen. Sie können meine Liebe und meine Klarheit, meine Bereitschaft, sie als gleichrangig zu behandeln, spüren, was aber nicht heißt, dass ich nicht auch Grenzen ziehe.

Und last but not least höre ich jetzt auf meinen Körper. Ich gönne mir meine Ruhepausen, wenn nötig und fühle, wie es sich in meinem Körper anfühlt, wenn ich etwas Bestimmtes gegessen oder getrunken habe, und zwar auch am darauffolgenden Tag.

Ich habe viele alte Wunden aus meiner Kindheit geheilt und bin jetzt eine selbstsichere und frohe Vierundsechzigjährige, die sich selbst und die ganze Menschheit liebt.

Dieser Artikel wurde zuerst auf der Joy of Ageing Webseite veröffentlicht.

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